Im letzten Sommer habe ich mit zwei Freundinnen den Großglockner bestiegen. Der Großglockner ist mit 3.798 m der höchste Berg Österreichs. Um uns an die Höhe zu gewöhnen, verbrachten wir einige Tage auf unterschiedlich hoch gelegenen Hütten. Wir wanderten, genossen die fantastischen Ausblicke und freuten uns auf die Gipfelbesteigung.
Am vierten Tag war es soweit. Um 3.15 Uhr brach unsere kleine Seilschaft zum Gipfel auf. Unser Guide wollte früh los, um dem Verkehr durch andere Bergsteiger beim Aufstieg zu entgehen. Trotz der frühen Uhrzeit machten sich mit uns dennoch viele andere Seilschaften auf die letzten 400 Höhenmeter zum Gipfelkreuz. In den Felskletterpassagen kam es deshalb immer wieder zu Staus. Unser Guide trieb uns an. Wir sollten schneller klettern und andere Bergsteiger auch an engen ausgesetzten Passagen überholen. Das war für uns eine sehr stressige Situation.
Vor allem der Abstieg hatte es technisch in sich. Wir mussten große Felsstufen hinunterklettern und auf dem schmalen Grat aufsteigenden Seilschaften ausweichen. Wir baten unseren Guide immer wieder um Unterstützung, damit wir mit den Steigeisen genügend Halt an der Felswand finden konnten. Seine Antworten waren wenig hilfreich:
„Ihr müsst doch sehen, wo ihr hintreten könnt. Guckt richtig hin!“
Je gestresster wir waren, desto ungeduldiger und genervter wurde er.
„Jetzt guckt doch mal richtig hin. Seht ihr den Tritt etwa nicht?“
Aus Ungeduld wurde Sarkasmus.
„Klasse. Das macht ihr super!“
Seit dieser Erfahrung ist fast ein Jahr vergangen. Wenn ich heute auf unser Glockner-Abenteuer zurückblicke, dann erlebe ich es als ein Negativbeispiel von Kommunikation in einer Führungsrolle.
Warum Sarkasmus niemandem hilft
Komplexe Situationen erfordern von der Führungsrolle Verbundenheit und Zuverlässigkeit. Das Erfüllen dieser menschlichen Grundbedürfnisse bringt Sicherheit und Leistungsfähigkeit. Wir hatten beim Klettern weder Verbundenheit noch Zuverlässigkeit und handelten folglich ins Ungewisse. Was enormen Stress für uns zur Folge hatte.
„Klasse. Das macht ihr super!“
Auch im beruflichen Kontext begegnet diese Form der Kommunikation vielen Menschen. Es werden andere Dinge gesagt, als tatsächlich gemeint sind. Informationen, die Sicherheit geben, werden weggelassen. Auf Verbindung und Empathie wird komplett verzichtet.
Werden Grundbedürfnisse in der Kommunikation abgewertet oder missachtet, nehmen Menschen das als Bedrohung wahr. Das ist in Projekten genauso wie beim Felsklettern.
Um das Problem dennoch zu lösen, wird der Mangel an Empathie ausgeglichen durch:
- Durchsetzung der eigenen Lösung, ohne andere in den Entscheidungsprozess einzubeziehen
- Anweisungen erteilen und deren Einhaltung kontrollieren
Die Folge dieses Verhaltens sind Widerstand und Demotivation.
Wertschätzende Kommunikation als Lösung?
Einer der Schlüsselbegriffe, um Menschen in stressigen Situationen Sicherheit zu geben ist Empathie. Empathie ist die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und mitzufühlen.
Für Teamarbeit heißt das, sich in die Gedanken- und Gefühlswelt der Kollegen hinzuversetzen. Dadurch werden Probleme und Blockaden besser identifiziert. Erst wenn Kontakt hergestellt ist, kann an der Lösung des Problems gearbeitet werden.
Bei mangelnder Resonanz, zwischenmenschlichen Spannungen oder Ausgrenzungen wird die gleiche Region unseres Gehirns aktiviert, wie bei körperlichen Schmerzen. Deshalb führen anhaltende Konflikte häufig zu Demotivation, Stress oder Krankheit (vgl. Venus et al. 2019).
Drei Tipps für die Führungsrolle
- Empathie erhöhen
Empathie bedeutet, sich in die Gefühls- und Gedankenwelt anderer Menschen hineinzuversetzen. Wenn Menschen empathisch sind, können sie das Verhalten einzelner Menschen oder ganzer Teams besser vorhersagen und sich gezielt darauf einstellen. Sich mit den Problemen anderer zu verbinden, nimmt beiden Seiten Stress. Empathie ermöglicht vorhandenes Wissen zu teilen, um das bestmögliche Ergebnis zu bekommen.
- Tempo reduzieren
Schnelligkeit geht auf Kosten von Empathie und Verbundenheit. Ein dauerhaft hohes Tempo demotiviert und erschöpft die Mitarbeiter. Hier ist Umdenken gefragt: Empathie vor schnelle Entscheidungen stellen. Sich Zeit nehmen zum Zuhören und Fragen stellen.
In vielen Unternehmen geht der Trend zur Teamarbeit. Auch hier ist Empathie gefordert, um die Beiträge aller Teammitglieder zu integrieren.
Geschwindigkeit in Projekten und das schnelle Treffen von Entscheidungen blockieren Empathie.
Ein Forscherteam der Universität Wien konnte in diesem Zusammenhang nachweisen, dass das Einschätzen der Gefühle anderer ungenauer wurde, wenn die Probanden zu schnellen Entscheidungen gedrängt wurden (vgl. Lamm 2013).
- Wissen teilen
Wer über einen Wissensvorsprung verfügt, sollte diesen teilen. Seine Rolle, seine Kenntnisse zum Vorteil des Teams, der Kollegen, der Freunde nutzen. Alle in einer Gruppe sollten vom vorhandenen Wissen profitieren. Wissen teilen heißt, die Zusammenarbeit im Team aufwerten, damit Projekte zügig und qualitativ hochwertig fertig werden.
Ach so, ich habe die Großglocknergeschichte noch nicht zu Ende erzählt. Wir haben es geschafft. Wir haben den Großglockner bezwungen. Darüber gefreut haben wir uns allerdings erst sehr viel später. Als wir wieder zuhause in Hannover waren, hatten wir genug Distanz, um unseren persönlichen Erfolg sehen zu können. Dass wir trotz der fehlenden Unterstützung, diese Herausforderung gemeistert haben.
Ähnliche Beiträge: Unser virtuelles Kommunikationstraining